Mehrstimmigkeit in Musik und Politik

Mehrstimmigkeit in Musik und Politik

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein über

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 8.Dezember 2016

Vor rund einem Monat – noch ganz im Hochgefühl des vergangenen Konzertes mit „meinem“ Chor – beschloss ich, diese «Carte blanche» den Parallelen von Musik und Politik zu widmen.

Wochen- oder gar monatelang bereiten wir in Chören und Musikvereinen unsere Konzerte vor. Wir üben registerweise, als ganze Truppe und die meisten auch daheim. Das gesamte Klangbild tönt umso besser, je mehr ihre Stimme gut beherrschen. Das Mitwirken jedes Einzelnen zählt. So funktioniert es allenthalben. Überall dort, wo man im Team etwas erreichen will. Sei es in Geschäft, Schule, Familie, Verein oder in der Politik mit dem Gemeinderat, der Fraktion, dem Parlament, der Gemeindeversammlung. Wir sind darauf angewiesen, dass jede/r seinen Part übernimmt und diesen möglichst gut beherrscht. Anstelle des Konzertes steht im Alltag eine Sitzung, ein Projekt, eine Abstimmung usw. an. Ideal, wenn die Kameradschaftspflege auf dem Weg zum Ziel auch Platz erhält. Diese klingt am Anlass mit. Sie und die wahrnehmbare Freude am Tun der Protagonisten ist, was die Herzen der Zuschauenden v.a. berührt. Das steckt an, animiert zum Wiederkommen oder gar zum Mittun. Für die Darbietenden gibt es kaum etwas Schöneres, als so eine Interaktion auszulösen.

Besonders mehrstimmige Stücke sind interessant. Sie finden im wahrsten Sinne des Wortes mehr Anklang. Dabei ist es wichtig, eine gute Balance und Abwechslung der Leadstimmen zu finden. Auch hier ist die Interaktion zentral. Der Gesamtchor muss bereit sein, sich teilweise zurückzunehmen. Dies, um Anderen befristet zu mehr Geltung zu verhelfen und das gesamte Klangbild zu verschönern. Leadstimme(n) und Chor hängen voneinander ab, sind aufeinander angewiesen. Das Bewusstsein und die Wertschätzung dieses Zusammenspiels sind wichtig, um langfristig gut zusammen unterwegs sein zu können. In der Politik sehe ich hier die Parteien und Amtsträgerinnen und -träger in der Pflicht. Es kann nicht immer die oder der Selbe den Ton angeben. Aber alle Stimmen sind für ein gutes Gesamtresultat nötig. Auch die leisen Zwischentöne.

Zueinander in Spannung stehende Stimmen sind interessant. Manchmal kann gar eine Kakophonie sehr anregend sein. Darüber, wie lange das auszuhalten ist, gehen die Wahrnehmungen auseinander. Ich bevorzuge Stücke, welche Dissonanzen immer wieder auflösen, vor allem im Schlussakkord. Das entspricht ganz unserer Konkordanzdemokratie. Sie macht den Staat berechenbarer und ist unbedingt zu erhalten.

Spielt die Musikkommission eine wichtige Rolle, was aufgeführt wird, so beeinflusst der Dirigent/ die Dirigentin vor allem das wie. Ganz im Sinne von «C’est le ton qui fait la musique». Die Dirigierenden haben wesentlichen Einfluss auf Können, Dynamik, Tempo, Lautstärke und Zusammenspiel der Mitwirkenden. Im Politalltag kommt diese Rolle i.d.R. dem Präsidium zu. Wichtig sind natürlich auch Moderation und Medien. Im Idealfall erhöhen sie das Interesse und helfen Dargebotenes besser einordnen zu können.

Ich könnte noch lange über Parallelen von Politik und Musik sinnieren. Hier bleibt nur noch Platz, Sie zu ermuntern. Bringen Sie Ihre Stimme beim Singen der aktuellen Weihnachtslieder und auch in übertragenem Sinne immer wieder ein. Besten Dank für Ihr Mittun und von Herzen eine stimmige Adventszeit!

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein