Schritt für Schritt

Schritt für Schritt

Sei immer bescheiden, verlang nie zu viel. Dann kommst zu zwar langsam, aber sicher zum Ziel. Diesen Spruch schrieb mir vor vielen Jahre eine Schulkameradin ins Poesiealbum. Heutzutage ziehe ich daraus zwei Schlüsse. Einerseits, dass man sich nicht überschätzen, sondern die Kräfte sinnvoll einteilen soll. Andererseits, dass wir zuversichtlich und ausdauernd auch vermeintlich (zu) kleine Schritte auf ein Ziel hin wagen sollen. Wichtig ist, überhaupt ein Ziel anzuvisieren und sich auf den Weg zu machen. In die gleiche Kerbe haut die Redewendung, etwas Schritt für Schritt tun. Sie mahnt, nichts zu überstürzen, doch mutig Stück für Stück vorwärts zu gehen. Solcher Ansporn hilft auch, wenn die politischen Mühlen wieder mal langsam mahlen. Weltweit sehr langsam, gar in die falsche Richtung geht der Kampf gegen Sklaverei. Offiziell haben sie alle Länder abgeschafft, zuletzt 1980 der afrikanische Staat Mauretanien. Doch leider findet sie mehr denn je statt.

Das moderne Gesicht der Sklaverei zeigt sich in Form von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung. Weltweit gibt es rund 50 Millionen Opfer, ein Viertel davon sind Kinder. Weibliche Personen machen mit 71% immer noch den grössten Teil der entdeckten Fälle aus. Der gegenüber früher gewachsene Anteil von 29% Männern hängt wohl mit der zwischenzeitlich aufgebauten Sensibilität der Bevölkerung zusammen. Als wie mehr wird bewusst, dass nicht nur in der Prostitution ausbeuterische Bedingungen herrschen. Menschenhandel generiert über CHF 144 Milliarden pro Jahr und kommt weltweit vor. Auch bei uns im Baselbiet. Im Sommer zeigte zum Beispiel eine Medienserie über Bandentätigkeiten das grosse Ausmass an Arbeitsausbeutung auf. Diese findet zum Beispiel in Nagelstudios, auf dem Bau oder im Gastrobereich statt. Im Frühling machte ein Fall aus Allschwil Schlagzeilen. Das Opfer hatte über Jahre auf ausbeuterische Weise Haus- und Pflegearbeiten verrichtet. Es ist gut und nötig, dass bei der Arbeitsmarktkontrolle, Polizei, Staatsanwaltschaft und Bevölkerung das Bewusstsein von Erscheinungsformen wächst. Weitere Schritte sind nötig. Es braucht mehr personelle Ressourcen zur Aufdeckung und Strafverfolgung wie auch Beratungs- und Ausstiegsmöglichkeiten für Opfer. Und wir alle können einen Beitrag leisten. Etwa, indem wir beim Einkaufen auf fair hergestelltes Essen, Kleider usw. setzen, staatliche und anderweitige Organisationen im Kampf gegen Menschenhandel unterstützen und indem wir offene Augen und Ohren haben, um Opfer zu erkennen. Und nicht zuletzt, indem wir weitere Personen auf die Problematik hinweisen. 

Gemeinsam können wir einiges bewegen. Wörtlich auf Bewegung setzt der diesen Samstag weltweit in über 400, in der Schweiz in fünf Städten stattfindende «Walk For Freedom». Auch bei seiner zehnten Durchführung wird mit dem Marsch in stillen Einerkolonnen für mehr Gerechtigkeit und Freiheit eingestanden und auf die Millionen von Menschenhandel Betroffenen aufmerksam gemacht. Schritt für Schritt gegen Menschenhandel – machen Sie auch mit?

Andrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein


Carte blanche in der Volksstimme vom 17. Oktober 2024