Carte blanche - Der Leuenberg – ein geschichtsträchtiger Ort

Carte blanche - Der Leuenberg – ein geschichtsträchtiger Ort

Der Leuenberg – ein geschichtsträchtiger Ort

Andrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein

Der Leuenberg ob Hölstein ist vielen ein Begriff. Wenn ich in anderen Landesteilen oder im Ausland unterwegs bin und Hölstein verorten muss, dann reagieren viele auf die Begriffe Waldenburgerli, Oris und Leuenberg. Letzteres ist oft verbunden mit positiven Erinnerungen an dort erlebte Lager, Kurse oder Feiern – ob im Seminarzentrum oder dem nebenan stehenden Jugendhaus. Ich wohne seit 2004 in Hölstein. Meine erste Bekanntschaft mit dem Leuenberg fand rund 10 Jahre früher anlässlich eines Hochzeitsfestes von Freunden statt. Auch mein Mann und ich hielten später unsere Feier im dannzumal als Impuls- und Tagungszentrum bezeichneten Ort ab. Damals noch katholisch und auswärtig, war mir die geschichtliche Bedeutung des Leuenbergs noch nicht bewusst. In der Zwischenzeit wohne ich hier, bin reformiert und war schon x-fach in verschiedensten Funktionen auf dem Leuenberg zu Gast.

Letzte Woche sorgte ein Teil des Leuenbergs in wenig positivem Zusammenhang für Schlagzeilen. Verschiedene Medien brachten das nach einem Besitzer- und Betreiberwechsel neu unter der Bezeichnung Seminar- und Begegnungszentrum auftretende Gebäude unter anderem mit Reichsbürgertum und sektenähnlichen Gruppierungen in Verbindung. Nach der ursprünglichen Freude, dass der Leuenberg nach langer praktischer Brachliege auf den Frühling hin wieder als Kursort und gastronomische Einkehrmöglichkeit zur Verfügung stehen soll, gesellen sich in der Bevölkerung nun einige Sorgen und Skepsis dazu.

Just in die gleiche Woche fiel das 50-Jahre-Jubiläum der sogenannten «Leuenberger Konkordie». Das ist eine kirchengeschichtlich wichtige Übereinkunft. Sie wurde nach langer Vorbereitungszeit an einer vom 12. bis 16. März 1973 auf dem Leuenberg durchgeführten Tagung verabschiedet. Aufgrund des Gewichts dieses Abkommens finden im 2023 weltweit Gedenkveranstaltungen statt, so auch letzten Samstag eine durch die evangelisch-reformierte Kirche Baselland organisierte. Nach den Weltkriegen nahm das Bedürfnis nach Überwindung von Trennendem stark zu. Nach langem Prozess und vielen Vorbereitungstreffen – das vorletzte dazu im Bad Schauenburg bei Liestal – überwand man im Grundsatz die durch die Reformation und Vorreformation entstandenen innerkonfessionellen Kirchenspaltungen und Streitpunkte zwischen Luther und Zwingli. Auf dem Leuenberg wurde ein 49 Paragraphen umfassendes Dokument verabschiedet. Dieses wurde inzwischen in 19 Sprachen übersetzt und von 96 Mitgliedskirchen ratifiziert. Wichtige Pfeiler sind Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sowie die gegenseitige Anerkennung von Taufe und Ordination, der Weihe als Pfarrperson. Aus der Konkordie hat sich inzwischen die «Gemeinschaft europäischer Kirchen Europas» (GEKE) entwickelt. Und der Spaltung überwindende Ansatz dient als Inspiration für Austausche über Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg.   

Hoffnungsvoll mag man da auf das neue Logo des Zentrums blicken. Mögen die tiefen Wurzeln und die weite Krone des Baumes viel positive Kraft aus dem bisher wehenden Geist des Leuenbergs schöpfen und verbreiten.