Kein Wettbewerbsvorteil durch Verantwortungslosigkeit

Kein Wettbewerbsvorteil durch Verantwortungslosigkeit

Unternehmen sollen durch Verantwortungslosigkeit künftig keinen Wettbewerbsvorteil mehr haben.

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 5. November 2020

Andrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein

Pestizide aus der Schweiz, die bei uns längst verboten sind, töten im indischen Bundesstaat Maharashtra ahnungslose Landarbeiter. Die riesige Mine eines in der Schweiz ansässigen Konzerns vergiftet Luft und Wasser in Peru mit Schwermetallen. Schweizer Goldraffinerien beziehen Rohgold aus Minen, in denen Kinder schuften. Dem will die Konzernverantwortungsinitiative einen Riegel schieben. Am 29. stimmen wir über sie ab.

Die Initiative fordert, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz und ihre Töchter im Ausland die Menschenrechte und internationale Umweltstandards einhalten. Tun sie es nicht, sollen sie für die angerichteten Schäden haften. Für die allermeisten Unternehmen ist dies eine Selbstverständlichkeit. Sie halten schon heute freiwillig die Standards ein. Doch einige schwarze Schafe – es handelt sich um rund ein Prozent der Unternehmen – halten sich nicht freiwillig daran. Sie brauchen konkrete Regeln und Konsequenzen. In anderen Ländern wie Kanada, Grossbritannien, Frankreich oder Niederlande sind ähnliche Vorgaben bereits Gesetz.

Die Initiative geht auf die von Hilfswerken und weiteren NGOs geführte Kampagne «Recht ohne Grenzen» zurück. Heute setzt sich eine nie da gewesene breite Koalition von mehr als 120 Menschenrechts-, Umwelt-, Entwicklungs- und Konsumentenorganisationen, ein Wirtschaftskomitee aus 190 Unternehmer/innen, ein Bürgerliches Komitee aus mehr als 350 Politikerinnen und Politikern der BDP, CVP, EVP, FDP, GLP und SVP, zahlreiche kirchliche Organisationen sowie rund 400 Lokalkomitees mit über 20 000 Freiwilligen für die Initiative ein.

Sie alle finden: Wer Schaden an Mensch und Umwelt anrichtet, soll dafür geradestehen.

Unternehmen sollen durch Verantwortungslosigkeit künftig keinen Wettbewerbsvorteil mehr haben. Erfolgreiches Wirtschaften und der Respekt für Mensch und Umwelt sind kein Widerspruch. Der Gegenvorschlag, der bei einer Nichtannahme in Kraft tritt, sieht lediglich eine Berichterstattungspflicht vor. Unternehmen müssten dann auch weiterhin nicht haften, wenn sie Menschenrechte verletzen oder ganze Landstriche zerstören.

Bundesrat, Konzernlobby und Wirtschaftsverbände sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, mit krassen Unwahrheiten gegen die Initiative anzukämpfen. Fakt ist, dass die Beweislast für Verstösse und das Kostenrisiko eines Prozesses weiterhin bei den Klägern liegt. Auch ist es unwahr, dass hunderttausende KMUs betroffen wären. Der Initiativtext schliesst KMU aus, es sei denn, sie sind in einem Hochrisikosektor wie z.B. dem Goldhandel tätig. Es wird auch kein anständiges Unternehmen unter Generalverdacht gestellt. Viele Firmen sind sogar für die Initiative, weil endlich gleichlange Spiesse für alle geschaffen werden. Letztlich geht es um die Frage, die ein Kommentator stellte:

«Wie viele Kinder dürfen versklavt, vergiftet oder misshandelt werden, wie viele Flüsse abgetötet, wie viele Wälder vernichtet werden, um den Unternehmern hier in der Schweiz Gewinne zu ermöglichen?» Die Antwort dazu ist wohl eindeutig.