Risikoreicher Einstieg ins Leben

Risikoreicher Einstieg ins Leben

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein

Unser Leben ist nicht enden wollenden Risiken ausgesetzt. Dies bereits vor dem ersten bis zum letzten Atemzug. Ab und zu hört man den Ausspruch: Er/Sie hat gekämpft bis zum Schluss. Reichlich investieren wir, damit möglichst viele dieser Kämpfe gegen den Tod gewonnen oder die Unterwerfung zumindest hinausgeschoben wird.

Paradoxerweise scheinen wir aber für ältere Leute viel kampfbereiter, als für die Jüngsten, die noch Ungeborenen. Mir fällt es auf jeden Fall schwer nachzuvollziehen, wie unser nationales Parlament es bejahen kann, dass zukünftig tausende Föten zuerst hergestellt, dann eingefroren und spätestens nach zehn Jahren in nur leicht minimiertem Umfang wieder entsorgt werden.

Einigen Lesenden ist wohl bereits klar geworden, dass ich mit meinen Aussagen das neue medizinische Fortpflanzungsgesetz (FmedG) anspreche. Seit 1992 ist bei uns in der Schweiz die In-vitro-Fertilisation (künstliche Befruchtung im Reagenzglas) erlaubt. Lange war in unserer Verfassung ein Verbot verankert, die so gezeugten Embryos vor der Einpflanzung in den Mutterleib zu untersuchen oder einzufrieren. Pro Zyklus war nur die Herstellung von drei Embryonen erlaubt.

Seit letztem Juni ist dies anders. Volk und Stände bejahten knapp die Aufhebung des Verbots der Präimplantationsdiagnostik (PID). Laut Verfassung ist nun eine Aussortierung von Embryonen erlaubt. Nähere Einzelheiten dazu regelt das neue FmedG. In diesem Gesetz wird verankert, was an Machbarem tatsächlich praktiziert und was - vor allem aus ethischen Gründen - immer noch verboten oder nur eingeschränkt erlaubt sein soll. Die Beratungen im National- und Ständerat wurden sehr kontrovers diskutiert und schliesslich die recht restriktiven Grenzen im Vorschlag des Bundesrats stark erweitert.

So sollte u.a. PID ursprünglich nur erblich vorbelasteten Eltern erlaubt werden. In der Schweiz wären davon etwa 50-100 Paare jährlich betroffen. Das Parlament erlaubt die PID generell für alle. Das erhöht den Druck auf Eltern kranker Kinder und öffnet Tür und Tor für immer weitere Kriterien, nach welchen Embryonen aussortiert werden dürfen. In Grossbritannien besteht bereits ein Bogen mit 250 Krankheiten. Andernorts gibt es gar „Bestellbögen“ mit bis zu 400 Eigenschaften, die bewertet werden können. Wer auf vermeintliche Sicherheit aus ist, überlegt sich in Zukunft, ob er ein Kind nicht lieber von vornherein künstlich herstellen will...

Viele Organisationen bekämpften bereits die PID. Gegen das ausgearbeitete Gesetz macht nun eine noch breitere Front mobil. Nach offizieller Publikation des FmedG im Bundesblatt ergriff die EVP das Referendum. Unterstützt wird sie von einem breit abgestützten, überparteilichen Komitee und vielen weiteren Organisationen. Seit 1. September läuft die Sammelfrist. Innerhalb hundert Tagen sind 50'000 beglaubigte Unterschriften abzugeben, damit das Volk abstimmen darf, ob es dieses FmedG so will oder zur Überarbeitung zurückweist.

Meine Unterschrift steht bereits auf einem der Bögen. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass die anderen 49'999 sich auch rasch finden lassen. Denn viele wollen das Risiko mindern und die Chancen erhöhen, damit möglichst viele der – auf natürlichem oder künstlichem Wege – gezeugten Kinder leben dürfen!