Schnee und Trinkwasser

Schnee und Trinkwasser

«Carte blan­che» der Volksstimme vom 9. März 2023

Ich bin immer etwas vorsichtig mit dem Urteil, dass die Zeiten, die Verhältnisse oder die Zustände, wie wir sie heute erleben, noch nie so schlimm, schlecht oder kompliziert waren. Es scheint mir, dass wir dabei oft vieles vergessen, was wir vielleicht von unseren Grosseltern oder im Geschichtsunterricht erzählt bekommen haben. Zudem hatten wir noch nie so viele Möglichkeiten, uns selbst ein Bild der Gegenwart und der Vergangenheit hier bei uns oder irgendwo auf der Welt zu verschaffen.

Dennoch gibt es Momente, in denen es doch glaubwürdig erscheint, dass die aktuellen Zustände noch nie oder noch selten so dagewesen sind. So ist es mir ergangen, als ich vor wenigen Tagen im Oberengadin im Postauto dem Silvaplanersee entlang gefahren bin. Schräg neben mir sass eine ältere einheimische Frau, die mit besorgtem Blick und leichtem Kopfschütteln auf den See hinübersah, der von schwarzgrauem Eis bedeckt war, das erst noch an diversen Stellen von kleinen Wasserflächen unterbrochen war. Nach einer gewissen Zeit meinte sie, so habe sie den Silvaplanersee und die Umgebung Ende Februar noch nie gesehen. Dort, wo sich um diese Zeit normalerweise hunderte Menschen wandernd und langlaufend über die weisse Schneedecke des gefrorenen Sees bewegen, waren nun nur einige wenige Wagemutige zu Fuss oder auf Schlittschuhen auf dem Eis unterwegs. Auch neben dem See verdrängte zunehmend grün und braun das übliche winterliche Weiss. Der Schnee, der hier schon einige Tage ohne Nachschub lag, wurde in den letzten Wochen von den warmen Temperaturen und der immer stärker werdenden Sonne weggezehrt. Dieser Mix von äusserst bescheidenen Niederschlagsmengen und seit Wochen warmen Temperaturen tagsüber - zum Teil sogar nachts -, muss den Tourismusverantwortlichen Sorgen bereiten. Er hält aber auch das Organisationskomitee auf Trab, welches hier am 12. März als Abschluss von verschiedenen Langlauf-Wettkämpfen den Engadin Skimarathon mit über 10'000 Teilnehmenden durchführen will. Auf welchen Wegen dieses grosse Feld von Maloja nach S-chanf gelangen soll? Wir werden es sehen.

Der spärliche Schnee und die warmen Temperaturen beschäftigt aber nicht nur den Tourismus und die Sportveranstalter. Das Engadin gilt auch als Wasserschloss. Die Grundlage für eine ausreichende und sichere Trinkwasserversorgung dieser Region wird im Winter gelegt. Dafür ist es wichtig, dass mit der Schneeschmelze reichliche Reserven in den natürlichen Grundwasserreservoirs gespeichert werden können.

Die Wasserversorgung im Oberbaselbiet ist logischerweise nur untergeordnet von den regionalen Schneefällen abhängig. Aber auch unsere Quellen und Grundwasserströme reagieren auf die Niederschlagsmengen und deren Verteilung über das Jahr und die wiederkehrenden längeren Trockenperioden. Die klimatischen Veränderungen fordern deshalb auch die Wasserversorgungen in unserer Region zunehmend heraus. Es braucht von uns allen verstärkt einen verantwortungsvollen und sorgsamen Umgang mit unserem kostbaren Trinkwasser.
 

Peter Gröflin, Gemeindepräsident Gelterkinden, EVP