So nicht, Frau Bundesrätin!

So nicht, Frau Bundesrätin!

Wir nehmen klar Stellung zur öffentlichen Vernehmlassung zur Teilrevision der Kernenergie-, der Kernenergiehaftpflicht-, der Ausserbetriebnahme- und der Gefährdungsannahmenverordnung.

lm Rahmen der öffentlichen Vernehmlassung zur Teilrevision der genannten Verordnungen möchten wir Stellung beziehen.

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima wurde beschlossen, keine neuen Atomkraftwerke (AKW) in der Schweiz zu bauen. Bestehende Anlagen sollen nur so lange Weiterbetrieben werden, wie sie sicher sind.

Die mit der Teilrevision vorgeschlagene Abschwächung der Sicherheitsanforderungen bricht dieses Versprechen auf krasse Weise. 

Zudem greift der Bundesrat mit den geplanten Änderungen in ein laufendes Rechtsverfahren gegen das Atomkraftwerk Beznau ein. Er versucht, die gerichtliche Abschaltung des ältesten Atomkraftwerks der Welt zu verhindern.

Damit wird die Gewaltenteilung umgangen und die von Gesetzes wegen zwingend erforderliche Nachrüstung dieser Anlage in höchst fragwürdiger Weise verhindert.

Wir lehnen dieses Vorgehen entschieden ab. 

Mit der Erhöhung des zulässigen Dosisgrenzwerts für radioaktive Strahlung von 1 auf 100 Millislevert bei einem 10000-jährlichen Ereignis und mit der Einschränkung der Abschaltkriterien auf das Versagen der Kernkühlung wird die Bevölkerung in der Umgebung von Atomkraftwerken grenzüberschreitend einer unhaltbaren Zusatzgefährdung ausgesetzt.

Dass das Ansinnen zur Abschwächung des geltenden Rechts mutmasslich von der Schweizer Atom Aufsichtsbehörde ENSI ausgeht, wirft ein höchst fragwürdiges Licht auf das Wirken der verantwortlichen Akteure. Eine Aufsichtsbehörde müsste sich an das geltende Gesetz halten, statt Änderungen zubeantragen, welche das Ziel verfolgen, fehlerhafte Atomkraftwerke schön zu rechnen, die dieselbe Behörde eigentlich längst hätte abschalten sollen. 

Wenn der Bundesrat diesen fragwürdigen Standpunkt mit den geplanten Anpassungen zu seinem eigenen macht, stellt sich die Frage, ob die Zusicherung der Landesregierung «Weiterbetrieb solange sicher» inhaltlich je ernst gemeint war.

Bei der vorgeschlagenen Revision steht offensichtlich nicht der Schutz der Bevölkerung, sondem das Interesse der Betreiber der Atomkraftwerke im Mittelpunkt.

Beim AKW Beznau zeigen sich zudem Lücken im Sicherheitsdispositiv. Ein 10'000-jähriges Ereignis (Erdbeben) stellt noch nicht das heftigste mögliche Ereignis an diesem Standort dar. Die historische Wahl, mangels besseren Kenntnissen nur auf ein 10'000-jährliches Ereignis abzustellen, ist veraltet. 

Die Grundlagen für die Beurteilung nuklearer Sicherheit haben sich weltweit verbessert, was auch für die bestehenden Anlagen berücksichtigt werden muss. Die Bezugnahme der Aufsichtsbehörde und des Bundesrates auf eine «bisherige Praxis» wirkt in diesem Zusammenhang nicht nur anachronistisch, sondern grob fahrlässig. Sie ist gesetzwidrig, verpflichtet doch Art. 4 Abs. 3 KEG, im Sinne der Vorsorge.