Von Utopien, Visionen und notgedrungenen Schlussfolgerungen

Von Utopien, Visionen und notgedrungenen Schlussfolgerungen

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein über die Initiative der Grünen Wirtschaft

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 26. August 2016

Der Startschuss für die Meinungsbildung zum Abstimmungstermin vom 25. September ist gefallen. Daher nachfolgend einige meiner Gedanken zur Initiative ‚Grüne Wirtschaft’:

Um was geht’s? Sage ich, es handle sich um eine auf dem Mist der Grünen gewachsene Initiative, so verstimme ich diese Partei wohl kaum. Es geht ja just darum, den natürlichen Kreislauf noch konsequenter zu fördern. Einige bezeichnen dies als teuren Zwang. Befassen wir uns daher etwas genauer mit dem Initiativtext. Im ersten Abschnitt steht da „Bund, Kantone und Gemeinden streben eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft an. Sie fördern geschlossene Stoffkreisläufe und sorgen dafür, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten das Potenzial natürlicher Ressourcen nicht beeinträchtigen und die Umwelt möglichst wenig gefährden und belasten.“ Heutzutage nicht mehr revolutionär. Diese Anliegen werden von einer breiten Masse unterstützt. Denn wer zieht sich schon bewusst selbst den Teppich unter den Füssen weg?

Weiter steht, der Bund solle zur Verwirklichung dieser Grundsätze Ziele festlegen und regelmässig über deren Erreichung berichten. Werden sie verfehlt, sollen Massnahmen ergriffen und/oder die bestehenden verstärkt werden. Diesbezüglich wird der Erlass von Vorschriften, Steuer- und Budgetmassnahmen, Lenkungsabgaben usw. erwähnt. Auch hier nichts Neues. Solche Vorgehensweisen sind bei privaten, öffentlichen und wirtschaftlichen Vorhaben gang und gäbe. Ich erwähne hier stellvertretend das vielgelobte ‚Baselbieter Energiepaket’ (ein Förderprogramm in Zusammenarbeit von Kanton, Wirtschaft und Bund). Es hilft, Energie zu sparen und multipliziert laut Zwischenbilanz die Ursprungsinvestitionen um ein Vielfaches. Wirtschaftsförderung pur.

Der Knackpunkt liegt aus meiner Sicht bei der Übergangsbestimmung der Bundesverfassung im zweiten Textteil. Sie verlangt, dass der ‚ökologische Fussabdruck’ der Schweiz bis 2050 auf eine Erde reduziert wird. Will heissen: Die Schweiz soll – auf die ganze Welt hochgerechnet – ­nur so viele Ressourcen verwenden, wie die Erde gleichzeitig wieder bilden kann. Aktuell verbraucht die Schweiz Ressourcen von 2,8 Erden.

Eine Reduktion in diesem Umfang und mit dem Zeithorizont 2050 ist extrem anspruchsvoll. Viele bezeichnen das als utopisch. Hier sind Phantasie, Visionen, Innovationskraft und Tatendrang nötig. Um zu erahnen, was möglich ist, halte man sich aber die riesigen technischen Fortschritte der letzten 34 Jahren vor Augen. Nebst neuen Entwicklungen ist wohl auch ein Rückstufen unserer Ansprüche nötig. Nicht alle sind dazu bereit. Aber welches sind denn die Alternativen? Wir haben nur diese eine Erde... Hier kommt der als Zwang empfundene Druck wieder ins Spiel. Aber wie in anderen Bereichen muss der Druck von aussen steigen, wenn das freiwillig gewählte Änderungstempo zu langsam ist. Das Weiterschaufeln am eigenen Grab ist auf jeden Fall keine erstrebenswerte Alternative und ein abrupter Baustellenstopp kurz vor dem endgültigen Absturz viel teurer als jetziges Umdenken.

Da das Bundesparlament einen moderateren Gegenvorschlag versenkt hat, plädiere ich notgedrungen für diese Initiative. Sie erhöht für uns Menschen die Chance einer guten Zukunft auf dieser Erde.

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein