Card Blanche 2016

Mehrstimmigkeit in Musik und Politik

Mehrstimmigkeit in Musik und Politik

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 8. November 2016

Vor rund einem Monat – noch ganz im Hochgefühl des vergangenen Konzertes mit „meinem“ Chor – beschloss ich, diese «Carte blanche» den Parallelen von Musik und Politik zu widmen.

Wochen- oder gar monatelang bereiten wir in Chören und Musikvereinen unsere Konzerte vor. Wir üben registerweise, als ganze Truppe und die meisten auch daheim. Das gesamte Klangbild tönt umso besser, je mehr ihre Stimme gut beherrschen. Das Mitwirken jedes Einzelnen zählt. So funktioniert es allenthalben. Überall dort, wo man im Team etwas erreichen will. Sei es in Geschäft, Schule, Familie, Verein oder in der Politik mit dem Gemeinderat, der Fraktion, dem Parlament, der Gemeindeversammlung. Wir sind darauf angewiesen, dass jede/r seinen Part übernimmt und diesen möglichst gut beherrscht. Anstelle des Konzertes steht im Alltag eine Sitzung, ein Projekt, eine Abstimmung usw. an. Ideal, wenn die Kameradschaftspflege auf dem Weg zum Ziel auch Platz erhält. Diese klingt am Anlass mit. Sie und die wahrnehmbare Freude am Tun der Protagonisten ist, was die Herzen der Zuschauenden v.a. berührt. Das steckt an, animiert zum Wiederkommen oder gar zum Mittun. Für die Darbietenden gibt es kaum etwas Schöneres, als so eine Interaktion auszulösen.

Besonders mehrstimmige Stücke sind interessant. Sie finden im wahrsten Sinne des Wortes mehr Anklang. Dabei ist es wichtig, eine gute Balance und Abwechslung der Leadstimmen zu finden. Auch hier ist die Interaktion zentral. Der Gesamtchor muss bereit sein, sich teilweise zurückzunehmen. Dies, um Anderen befristet zu mehr Geltung zu verhelfen und das gesamte Klangbild zu verschönern. Leadstimme(n) und Chor hängen voneinander ab, sind aufeinander angewiesen. Das Bewusstsein und die Wertschätzung dieses Zusammenspiels sind wichtig, um langfristig gut zusammen unterwegs sein zu können. In der Politik sehe ich hier die Parteien und Amtsträgerinnen und -träger in der Pflicht. Es kann nicht immer die oder der Selbe den Ton angeben. Aber alle Stimmen sind für ein gutes Gesamtresultat nötig. Auch die leisen Zwischentöne.

Zueinander in Spannung stehende Stimmen sind interessant. Manchmal kann gar eine Kakophonie sehr anregend sein. Darüber, wie lange das auszuhalten ist, gehen die Wahrnehmungen auseinander. Ich bevorzuge Stücke, welche Dissonanzen immer wieder auflösen, vor allem im Schlussakkord. Das entspricht ganz unserer Konkordanzdemokratie. Sie macht den Staat berechenbarer und ist unbedingt zu erhalten.

Spielt die Musikkommission eine wichtige Rolle, was aufgeführt wird, so beeinflusst der Dirigent/ die Dirigentin vor allem das wie. Ganz im Sinne von «C’est le ton qui fait la musique». Die Dirigierenden haben wesentlichen Einfluss auf Können, Dynamik, Tempo, Lautstärke und Zusammenspiel der Mitwirkenden. Im Politalltag kommt diese Rolle i.d.R. dem Präsidium zu. Wichtig sind natürlich auch Moderation und Medien. Im Idealfall erhöhen sie das Interesse und helfen Dargebotenes besser einordnen zu können.

Ich könnte noch lange über Parallelen von Politik und Musik sinnieren. Hier bleibt nur noch Platz, Sie zu ermuntern. Bringen Sie Ihre Stimme beim Singen der aktuellen Weihnachtslieder und auch in übertragenem Sinne immer wieder ein. Besten Dank für Ihr Mittun und von Herzen eine stimmige Adventszeit!

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein 

Vorschub für mehr Schwarzarbeit?

Vorschub für mehr Schwarzarbeit?

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 20. Oktober 2016

Für einmal möchte ich mit dieser «Carte blanche» eine bereits abgeschlossene Landratsvorlage aufgreifen. Es handelt sich um die neuste Teilrevision des Steuergesetzes. Wir haben diese Vorlage in den Landratssitzungen vom 22. und 29. September behandelt. Das Thema ist also noch ganz frisch, die Auswirkungen werden ab nächstem Jahr spürbar.

Beim «Revisionspaket 2017» handelt es sich um ein weiteres Massnahmenbündel der Finanzstrategie des Regierungsrates. Die Debatten im Gesamtlandrat und die Berichterstattungen dazu vertieften leider meist nur zwei bis drei Aspekte. Aus meiner Sicht kam ein Revisionspunkt zu kurz. Daher schenke ich ihm nachfolgend mehr Beachtung. Dieses nachträgliche Aufzeigen einiger Gedankengänge ist durchaus angebracht. Denn Landratsentscheidungen liegen meist Überlegungen zugrunde, welche gesellschaftliche Fragen aufwerfen und Ansichten ausdrücken, die spätere Geschäfte ebenso betreffen.

Seit 2006 müssen die Arbeitgeber die ausbezahlten Lohnsummen direkt den Steuerbehörden melden. Diese Lohnmeldepflicht wurde seinerzeit aufgrund des damaligen Sparprogrammes namens GAP (Generelle Aufgabenüberprüfung) eingeführt. Man ging davon aus, dass dank korrekteren Angaben beim Einkommen dem Kanton jährlich zehn bis zwanzig Millionen zusätzliche Einnahmen zufliessen würden. In den Folgejahren wurden tatsächlich einige Nach- und Steuerstrafverfahren durchgeführt. Dies brachte insgesamt aber leider nur knapp 3.2 Millionen Mehreinnahmen. Der jährliche Steuerzuwachs war folglich vom geschätzten Ursprungswert weit entfernt.

Die soeben behandelte Steuerrevision macht die Meldepflicht nun rückgängig. Begründet wird dies u.a. mit den geringen Mehreinnahmen, den Lohnkosten für die Kontrolle und dem Willen, Unternehmen von Administrationsaufwand zu entlasten.

Den letzten Punkt unterstütze ich auch. Administration soll stets möglichst einfach sein. Unklarheiten tauchen punkto zweier Aspekte auf. Die Firmen haben den Erstaufwand der Umstellung gemacht, die Abläufe sind seither klar. Wenn nun immer noch ein grosser Mehraufwand besteht, muss das mit unterschiedlichen und komplizierten Datenabgaben an Kanton und Arbeitnehmende zusammenhängen. Dies sollte von Kantonsseite her aber doch einfach und rasch zu beheben sein: Eine Kopie des gleichen Formulars wie an die Arbeitnehmenden, voilà.

Ein weiterer Punkt macht mir noch grössere Sorgen. Mit dem jetzigen Vorschlag befürchte ich einen Rückgang der angegebenen Lohneinkünfte. Das hätte zwei negative Auswirkungen: weniger Steuereinnahmen und eine mangelhaft abgesicherte Altersvorsorge bei Schwarzarbeitenden. Das wirkt sich für die Genannten wie auch für den Staat langfristig negativ aus. Für den Staat ist es gar ein doppeltes Eigentor. Zuerst gehen ihm nicht deklarierte Einkünfte auf der Steuerseite abhanden. Die meisten Personen, welche Einnahmen den Steuerbehörden nicht angeben, zahlen auf diese wohl auch keine Altersleistungen ein. Das führt später zu weiteren Problemen. Der Staat muss einspringen und/ oder diese Leute leiden mangels angespartem Altersguthaben unter Altersarmut. Beides ist nicht zu wünschen. Sie sehen: Obwohl die Vorlage für den Moment in Ordnung scheint, ist sie zu wenig nachhaltig. Gefragt sind noch bessere Lösungen.

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein

 

Von Utopien, Visionen und notgedrungenen Schlussfolgerungen

Von Utopien, Visionen und notgedrungenen Schlussfolgerungen

Publiziert in der Volksstimme vom 26. August 2016

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 26. August 2016

Der Startschuss für die Meinungsbildung zum Abstimmungstermin vom 25. September ist gefallen. Daher nachfolgend einige meiner Gedanken zur Initiative ‚Grüne Wirtschaft’:

Um was geht’s? Sage ich, es handle sich um eine auf dem Mist der Grünen gewachsene Initiative, so verstimme ich diese Partei wohl kaum. Es geht ja just darum, den natürlichen Kreislauf noch konsequenter zu fördern. Einige bezeichnen dies als teuren Zwang. Befassen wir uns daher etwas genauer mit dem Initiativtext. Im ersten Abschnitt steht da „Bund, Kantone und Gemeinden streben eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft an. Sie fördern geschlossene Stoffkreisläufe und sorgen dafür, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten das Potenzial natürlicher Ressourcen nicht beeinträchtigen und die Umwelt möglichst wenig gefährden und belasten.“ Heutzutage nicht mehr revolutionär. Diese Anliegen werden von einer breiten Masse unterstützt. Denn wer zieht sich schon bewusst selbst den Teppich unter den Füssen weg?

Weiter steht, der Bund solle zur Verwirklichung dieser Grundsätze Ziele festlegen und regelmässig über deren Erreichung berichten. Werden sie verfehlt, sollen Massnahmen ergriffen und/oder die bestehenden verstärkt werden. Diesbezüglich wird der Erlass von Vorschriften, Steuer- und Budgetmassnahmen, Lenkungsabgaben usw. erwähnt. Auch hier nichts Neues. Solche Vorgehensweisen sind bei privaten, öffentlichen und wirtschaftlichen Vorhaben gang und gäbe. Ich erwähne hier stellvertretend das vielgelobte ‚Baselbieter Energiepaket’ (ein Förderprogramm in Zusammenarbeit von Kanton, Wirtschaft und Bund). Es hilft, Energie zu sparen und multipliziert laut Zwischenbilanz die Ursprungsinvestitionen um ein Vielfaches. Wirtschaftsförderung pur.

Der Knackpunkt liegt aus meiner Sicht bei der Übergangsbestimmung der Bundesverfassung im zweiten Textteil. Sie verlangt, dass der ‚ökologische Fussabdruck’ der Schweiz bis 2050 auf eine Erde reduziert wird. Will heissen: Die Schweiz soll – auf die ganze Welt hochgerechnet – ­nur so viele Ressourcen verwenden, wie die Erde gleichzeitig wieder bilden kann. Aktuell verbraucht die Schweiz Ressourcen von 2,8 Erden.

Eine Reduktion in diesem Umfang und mit dem Zeithorizont 2050 ist extrem anspruchsvoll. Viele bezeichnen das als utopisch. Hier sind Phantasie, Visionen, Innovationskraft und Tatendrang nötig. Um zu erahnen, was möglich ist, halte man sich aber die riesigen technischen Fortschritte der letzten 34 Jahren vor Augen. Nebst neuen Entwicklungen ist wohl auch ein Rückstufen unserer Ansprüche nötig. Nicht alle sind dazu bereit. Aber welches sind denn die Alternativen? Wir haben nur diese eine Erde... Hier kommt der als Zwang empfundene Druck wieder ins Spiel. Aber wie in anderen Bereichen muss der Druck von aussen steigen, wenn das freiwillig gewählte Änderungstempo zu langsam ist. Das Weiterschaufeln am eigenen Grab ist auf jeden Fall keine erstrebenswerte Alternative und ein abrupter Baustellenstopp kurz vor dem endgültigen Absturz viel teurer als jetziges Umdenken.

Da das Bundesparlament einen moderateren Gegenvorschlag versenkt hat, plädiere ich notgedrungen für diese Initiative. Sie erhöht für uns Menschen die Chance einer guten Zukunft auf dieser Erde.

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein

 

Zwischenbericht aus der Intensivphase LLL

Zwischenbericht aus der Intensivphase LLL

Publiziert in der Volksstimme vom 30. Juni 2016

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 30. Juni 2016

Vor wenig mehr als einem Jahr war ich voller Vorfreude und Respekt gegenüber meinem neuen Amt als Landrätin. In der Zwischenzeit bin ich – nicht nur wegen meines Sitzplatzes im Rat und der politischen Gesinnung – mittendrin. Trotz einigen Frusterlebnissen in meinem ersten Jahr, die Lust und der Respekt vor dem Mandat und seinen Auswirkungen ist immer noch sehr gross.

Doch für was steht LLL? Ist es 'Leichter Lebt sich’s Länger' als neues Programm der Gesundheitsdirektion, eine Kombination von Unfallprävention und Sportanimation namens 'Lauf Lieber Langsam' oder...? Das Kürzel stammt aus der Ecke, wo mein Feuer am stärksten brennt: dem Bildungsbereich. Es steht für „LebensLanges Lernen“. Am Einführungstag Mitte Juni letzten Jahres erhielten wir Landratsneulinge Tipps und aufbauende Worte von gestandenen Ratsleuten mit auf den Weg. U.a. fiel die Aussage, die Landratsarbeit sei eine grosse Weiterbildung. Wie wahr. Um gleichzeitig politisch aktuell und beim Schulvokabular zu bleiben: Im Landrat haben wir keine Einzel-, sondern Sammelfächer. (Böse Zungen mögen nun behaupten, dies sei der Grund, warum einige straucheln und Sammelfächer auf der Sekstufe längst dringend nötig gewesen wären...).

Um weitsichtige Entscheide zu treffen, arbeite ich permanent daran, mir ein breites Spektrum an Wissen, auch in für mich neuen Themenbereichen, aufzubauen. Aber Sachwissen allein nützt nichts. Es gilt, auch weitere politische und mediale Gepflogenheiten zu beachten. Doch trotz viel Lernen und Beobachten bleibt Einiges lückenhaft. Und: Als Gruppe kommt man zu besseren  Resultaten. Vertrauensvolle Teamarbeit ist daher immens wichtig.

An Lesefreude darf es auch nicht mangeln, denn wir erhalten zuhauf Lesestoff. Z.B. individuelle Unterlagen für die Kommissionsarbeiten und quasi als Klassenlektüre die Vorlagen der Regierung und Schlussberichte aller Kommissionen. Dank dem Lesen derselben als vorbereitende Hausaufgaben soll(t)en wir uns das nötige Grundwissen aneignen. Aber wie in der Schule machen auch hier nicht alle ihre Aufgaben gleich gewissenhaft. Doch einige können dies dank Vorwissen geschickt kaschieren. 

Nun geht’s erst richtig los: zusätzliche Infos einholen, eigene Meinung bilden, argumentieren, anderen zuhören, Kompromisse finden usw. Die Arbeit in den Kommissionen und im Landrat ist aber noch nicht alles. Bund und Kantone unterstützen die Parteien, damit diese im Gegenzug die politische Bildung der Bevölkerung fördern helfen. Dazu gehören Medien- und Parteiarbeit, Engagements in Abstimmungskomitees und überparteilichen Interessensgruppen usw. Natürlich darf dabei der direkte Austausch mit der Bevölkerung, diverser Institutionen und den Landratsgspänlis nicht zu kurz kommen.

Nebst Vorwissen und der erwähnten Einführung lernen wir durch 'Training on the job'. Wahrlich eine intensive Lernphase, die den Horizont stark erweitert und um viele Begegnungen und Erfahrungen bereichert! Ich möchte sie keinesfalls missen. Man lernt für’s Leben – und nie aus. So mag mein Schönheitsschlaf aufgrund der Lernerlebnisse bis in die Nacht zwar zu kurz kommen, dafür bleiben Geist und Seele länger agil und jung. Davon bin ich überzeugt. Denn für mich bedeutet LLL auch 'Lernbegierig Lebt sich’s Lustvoller'.

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein

 

Schon wieder...?!

Schon wieder...?!

Publiziert in der Volksstimme vom 13. Mai 2016

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 13. Mai 2016

Obige Worte kommen Ihnen in diesen Tagen wohl ab und zu über die Lippen. Vor allem, wenn Sie sich mit den Inhalten der in rund einem Monat stattfindenden eidgenössischen und kantonalen Abstimmungen befassen. Die Gründe der Themenwiederholungen sind verschieden:

Kantonal befragt man uns einmal mehr, ob der Landrat oder der Bildungsrat über die Einführung des neuen Lehrplans 21 befinden soll. Dies, obwohl das Volk im November 2011 diese Kompetenz klar dem Bildungsrat zugesprochen hat. Eine parlamentarische Initiative stellt das und die neuen Lehrpläne nochmals in Frage. (Wohlbemerkt: Auf der Primarstufe gilt der Lehrplan 21 seit diesem Schuljahr.) Anscheinend ist das letzte Abstimmungsresultat noch nicht angekommen. Es scheint ein noch deutlicheres Nein gegen die Kompetenzverschiebung nötig.

Ein Déjà-vu erlebt man auch, weil einmal mehr Geldeinschüsse für die Pensionskasse nötig sind. Dieses Mal allerdings nicht allein für die Staatsangestellten des Kantons BL, sondern für die gemeinsamen mit Basel-Stadt: die Mitarbeitenden der Uni Basel. Ein Ja dazu ermöglicht keine Luxussanierung, sondern leicht schlechtere Sanierungsbedingungen wie sie vor nicht all zu langer Zeit die restlichen Kantonsangestellten erhielten.

Zu guter Letzt taucht auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) innert Jahresfrist erneut auf eidgenössischer Ebene in der Abstimmungsdebatte auf. Ja weshalb das denn schon wieder? Dies hat einen klaren Zusammenhang mit der letztjährigen Sommer-Abstimmung. Wir stimmen heuer über die gesetzliche Umsetzung der damaligen Entscheidung ab. Letzten Juni hatten wir darüber zu befinden, was wir von einer Verfassungsänderung im Bereich der Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich halten. Das Volk hat damals recht deutlich ja zur Einführung der PID gesagt. Bei in vitro (im Reagenzglas künstlich) gezeugten Embryos soll erlaubt werden, zellbiologische und genetische Untersuchungen zur Erkennung von Erbkrankheiten und Fehlbildungen der Chromosomen durchzuführen und sie nach der gewünschten Qualität zu sortieren.  Die Verfassungebene soll(t)e die groben Leitplanken aufstellen, für Einzelheiten und genauere Spezifikationen sorgt dann die Gesetzesstufe.

Der restriktive bundesrätliche Entwurf des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FmedG) wurde während den Parlamentsberatungen in einigen Punkten stark gelockert. So sah der Bundesrat ursprünglich vor, die PID nur erblich vorbelasteten Paaren zu erlauben. Im verabschiedeten FmedG steht die PID nun aber für alle in vitro erzeugten Embryos zur Verfügung. Das erhöht den Druck auf Eltern kranker Kinder und öffnet Tür und Tor für immer weitere Kriterien, nach welchen aussortiert wird. Des weiteren wurde die Zahl der pro Zyklos maximal zu entwickelnden Embryos von drei auf zwölf erhöht. Werden diese nicht gebraucht, müssen sie nach spätestens zehn Jahren getötet (vernichtet oder der Forschung übergeben) werden. U.a. aus diesen Gründen geht Politisierenden über alle Parteigrenzen dieses FmedG zu weit. Einige Organisationen ‒ darunter auch die EVP ‒ haben daher das fakultative Referendum ergriffen. Somit dürfen Sie nun mitbestimmen, ob das ausgearbeitete Gesetz Ihren Vorstellungen entspricht. Wir sagen Nein zu diesem FmedG und fordern engere Grenzen.

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein

 

Freud und Leid einer Demokratie

Freud und Leid einer Demokratie

Publiziert in der Volksstimme vom 18. März 2016

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 18. März 2016

Die hohe Beteiligung an den eidgenössischen Abstimmungsvorlagen von Ende Februar hat wohl jedes Demokratieherz höher schlagen lassen! Die Stimmbürger/innen haben ihre Bereitschaft zu demokratischer Auseinandersetzung und aktiver politischer Teilhabe - oder zumindest ihr Wille zur Mitbestimmung - unter Beweis gestellt. Das straft diejenigen Lügen, welche sich über Politikverdrossenheit beklagen und ist gleichzeitig ein Lichtschimmer im Hinblick auf das nächste Abstimmungsdatum.

Ein Blick in die Statistiken zeigt, dass wir seit 1911 jährlich zwischen null und sieben Mal für eidgenössische Abstimmungen an die Urne gerufen wurden. Seit 1990 haben wir so zu minimal einer bis maximal 16 eidgenössischen Vorlagen Stellung bezogen. Die schlechteste Beteiligung übers ganze Jahr war mit 32,3% ausgerechnet im runden Jubeljahr der Schweiz, 1991. Bezüglich der Menge an Vorlagen können wir heuer in der oberen Liga mitspielen. Am 5. Juni stehen in unserem Kanton sage und schreibe elf Vorlagen zur Debatte, sechs kantonale und fünf eidgenössische.

Das kostet uns Stimmbürger/innen viel Durchhaltevermögen und Überzeugung, dass die Demokratie diesen Aufwand wert ist! Die Parteien unterstützen uns laut Artikel 137 der Bundesverfassung dabei. Denn sie sollen an der Meinungs- und Willensbildung des Volkes mitwirken. U.A. gehören dazu die Vermittlung politischer Entscheide, Rekrutierung von politischem Nachwuchs, Artikulierung von Interessen und Meinungen, die Mobilisierung der Bürger/innen usw. Eine abwechslungsreiche Aufgabe für jene, die gerne besonders aktiv mitgestalten.

Zurück zu den vielen Vorlagen. Sie sind Zeichen der genutzten politischen Mitgestaltung, werden uns also nicht einfach nur von denen in Bern/ Liestal aufgebrummt! Auf Bundesebene sind drei Initiativen und ein Referendum dabei, was stets auf vielen Unterschriften aus der Bevölkerung fusst. Die Unterschreibenden wollten einer breiten Masse die Mitbestimmung ermöglichen. Auf kantonaler Ebene sind eine obligatorische Volksabstimmung, ein Referendum und vier Initiativen dabei. Wobei drei verschiedene Arten von Initiativen vorliegen. Eine ist eine nichtformulierte Volksinitiative. Regierung und Parlament behandelten sie und arbeiteten einen Gesetzestext aus. Das Volk muss jetzt Stellung nehmen, ob dieses Gesetz in seinem Sinne ist. Eine andere Vorlage ist eine Verfassungsinitiative, welche laut Gesetz auch vor das Volk muss. Zwei andere sind parlamentarische Initiativen. Hier liegt der Ursprung bei mindestens zwölf Landräten und Landrätinnen. Weiterbearbeitet wird eine parl. Initiative aber nur, wenn die Mehrheit des Parlamentes hinter der Wichtigkeit des Anliegens steht. Dass Sie nun auch noch darüber befinden können, liegt daran, dass im Landrat am Ende die obligate 4/5-Mehrheit nicht erreicht wurde.

Sie sehen: Obwohl die Menge an Vorlagen der nächsten Abstimmung fürs Erste erschlagend wirkt, ist sie Ausdruck dafür, dass Sie bis zu diesem Punkt schon viel in Bewegung gesetzt haben! Nun fehlt quasi noch der Schlussspurt, der  Abstimmungskampf. Die Februarvorlagen nahmen in der Statistik über die Abstimmungsbeteiligung seit Einführung des Frauenstimmrechts Platz fünf bis acht ein. Das ist doch Ansporn, auch diesmal bis zuletzt dran zu bleiben und mit Ihrer Stimme unsere Heimat mitzugestalten!

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein

 

Neue Rezeptur

Neue Rezeptur

Publiziert in der Volksstimme vom 22.01.2016

„Carte blan­che“ der Volks­stimme vom 22. Januar 2016

Immer wieder prangert dieser Zusatz auf den Produkten in den Lebensmittelläden. Ich gehe davon aus, dass damit die Aufmerksamkeit einer neuen Kundengruppe angesprochen werden soll. Für sie wird mit ‚neu’ ein Köder ausgelegt. Zudem sollen wohl bisherige und Wechselkonsumenten mit Neuigkeiten bei der Stange gehalten werden.

Angesichts dieser Aspekte habe ich mich dazu entschieden, wie ursprünglich vorgesehen die zweite Gotthardröhre in der „Carte blanche“ aufzugreifen. Dies, obwohl meine Fraktionskollegin Florence Brenzikofer vorletzte Woche bereits darüber berichtet hat. Folgend also meine Mixtur mit teils bekannten Zutaten, aber in neuem Mischverhältnis und anders gewürzt. Aufgrund der Zeichenbeschränkung picke ich vier gewichtige Zutaten meines Abstimmungsrezeptes heraus und greife auf, welche jetzigen Missstände wir eigentlich beheben wollen.

Stauproblem: Befürworter der 2. Gotthardröhre argumentieren teilweise, dass damit der Stau behoben werden könne. Laut der Vorlage und jetzigen Gesetzen sollen aber auch in Zukunft nur zwei Fahrspuren durch den Gotthard führen, folglich müsste die Kapazität gleich bleiben. Einer muss hier also Unwahres erzählen...  Mit der konsequenten Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schienen könnten wir rund einen Drittel des Staus senken. 80% der durch die Alpen gefahrenen Güter sind Transitwaren, nur 10% Binnenverkehr zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin. Mit der Eröffnung des NEAT-Basistunnels diesen Sommer und dem beschlossenen Ausbau auf 4m-Korridore schaffen wir mehr als benötigte freie Kapazitäten.

Sicherheit: Ein hohes Gut, dass wir stets weiter verbessern sollten. Dank vieler Anstrengungen konnten die Unfälle von beinahe 70 im Jahre 1995 laufend gesenkt werden. Seit 2002 sind es jährlich etwa zehn. Zwischen 2002 und 2013 hätten dank Richtungstrennungen 41 Frontal- und Streifkollisionen und damit wohl 9 von 10 Toten verhindert werden können. Mit dem Einbau absenkbarer Mittelleitplanken könnte man die Sicherheit (verglichen mit der 2. Röhre) für weniger Geld stark erhöhen – und müsste dazu nicht noch 15 Jahre zuwarten! Zudem würden Mittel frei, um Verbesserungen an anderen ‚Unfall-Hot-spots’ zu erwirken und weitere Leben zu retten. Dank weniger Schwerverkehr auf der Strasse wird die Sicherheit zusätzlich begünstigt.

Kosten: Das (fehlende) Geld ist derzeit in aller Munde.  Ein effizienter Einsatz der Mittel ist daher umso wichtiger. Je nach Rechnungsart kommt die Alternative zur 2. Gotthardröhre eine bis drei Milliarden günstiger. Geld, das auch andernorts viel bewirken könnte. Ebenso pulverisiert eine 2. Gotthardröhre Milliardeninvestitionen in die NEAT.

Umwelt: Die zweite Röhre erschwert das Erreichen der klima- und energiepolitischen Ziele der Schweiz. Der Transport auf Schienen spart Energie und verringert den Ausstoss von div. Luftschadstoffen. Das erfreut Tiere, Pflanzen und Menschen.

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, war meine neue Rezeptur anscheinend bekömmlich. Das freut mich. Viel Freude und positive Erlebnisse, gerade auch dank Ihrer Offenheit, Neugierde und Ausdauer, wünsche ich  Ihnen nun im 2016! Eine gesunde Portion davon – gepaart mit kritischem Hinterfragen – verhilft Ihnen und der ganzen Gesellschaft, sich weiter zu entwickeln. Danke!  

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein