Die zweite Welle

Die zweite Welle

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 6. November 2020

Sandra Bätscher, Gemeindepräsidentin, EVP, Tenniken

Nun ist sie also da, die zweite Welle. Dass sie kommen würde, haben wir ja gewusst und doch irgendwie immer die Hoffnung gehabt, dass es vielleicht doch anders kommt und wenn, dann nicht so schlimm wird. Das Gute ist, an gewisse neue Abläufe haben wir uns schon gewöhnt. Die Anpassungen an die neuen BAG-Richtlinien sind nicht mehr mit so viel Aufwand verbunden, wie noch im Frühjahr. Und zuweilen stösst man ja auch auf unfreiwillig komische Situationen, wenn zum Beispiel der Sportschützenverein (nicht aus dem Baselbiet!) seine Mitglieder auffordert: «Treffen Sie so wenige Menschen wie möglich!». Worauf zielen die Normalerweise?

Die andere Seite ist die, dass wir alle schon ein wenig müde sind und die meisten Worte wie Corona, Covid-19, Fallzahlen, Maskenpflicht, Home Schooling und Hände waschen nicht mehr hören können. Zu den existenziellen Fragen kommt hinzu, dass, im Gegensatz zum Frühling, nun doch auch Leute aus dem näheren Umfeld positiv getestet werden und wir uns damit konfrontiert sehen, selber in die Quarantäne oder Isolation gehen zu müssen. Was mich in diesem Zusammenhang erschreckt hat ist, dass es für betroffene Familien offenbar schwierig ist, jemanden zu finden, der für sie einkaufen geht oder einen anderen Botengang erledigt. Ist es wirklich so, dass man gerne hilft, aber nur wenn es sich nicht um Menschen handelt, die positiv getestet wurden? Einkaufen scheint sowieso zu einem Problem geworden zu sein, weil es in gewissen Familien Mitglieder gibt, die sich weigern wegen der Maskenpflicht überhaupt ein Geschäft zu betreten. Online bestellen ist die Alternative, aber was passiert dann mit unseren lokalen Geschäften?

Dem wirkt das Plakat «So schützen wir uns seelisch» mit sechs Botschaften entgegen:

  • 1 Akzeptieren, was man nicht ändern kann
  • 2 Normalität und Routine schaffen
  • 3 Dosierte Fakten statt Informationsflut und rotierende Gedanken
  • 4 Bewusst Auszeit und Rückzugsmöglichkeiten schaffen
  • 5 Grosszügigkeit bei Unterstützung, Konflikten und Hilfe
  • 6 Kontakte und Nähe kreativ und herzlich pflegen.

Die Botschaften bringen es auf den Punkt. Das perfide an Covid-19 ist ja nicht nur der medizinische Aspekt, sondern dass mit der Angst vor dem Virus die gesamte Gesellschaft gebremst, wenn nicht gelähmt wird. Dass davon nicht nur die Wirtschaft, sondern jede einzelne von uns betroffen ist, liegt auf der Hand. Lassen wir uns also nicht jegliche positive Gedanken durch das Virus vertreiben und versuchen wir unsere menschlichen Qualitäten und Eigenschaften zu stärken. Nur so werden wir das Virus bekämpfen können.

Um wieder auf die Sportschützen zurück zu kommen. Welche kreativen Möglichkeiten nutzen Sie um möglichst wenige Menschen zu treffen und trotzdem Kontakte und Nähe zu pflegen? Ich halte mich an ein Zitat von Karl Valentin:

«Morgen gehe ich mich besuchen, hoffentlich bin ich zu Hause».

In diesem Sinne, bleiben Sie gesund und vor allem optimistisch.

Kein Wettbewerbsvorteil durch Verantwortungslosigkeit

Kein Wettbewerbsvorteil durch Verantwortungslosigkeit

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 5. November 2020

Andrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein

Pestizide aus der Schweiz, die bei uns längst verboten sind, töten im indischen Bundesstaat Maharashtra ahnungslose Landarbeiter. Die riesige Mine eines in der Schweiz ansässigen Konzerns vergiftet Luft und Wasser in Peru mit Schwermetallen. Schweizer Goldraffinerien beziehen Rohgold aus Minen, in denen Kinder schuften. Dem will die Konzernverantwortungsinitiative einen Riegel schieben. Am 29. stimmen wir über sie ab.

Die Initiative fordert, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz und ihre Töchter im Ausland die Menschenrechte und internationale Umweltstandards einhalten. Tun sie es nicht, sollen sie für die angerichteten Schäden haften. Für die allermeisten Unternehmen ist dies eine Selbstverständlichkeit. Sie halten schon heute freiwillig die Standards ein. Doch einige schwarze Schafe – es handelt sich um rund ein Prozent der Unternehmen – halten sich nicht freiwillig daran. Sie brauchen konkrete Regeln und Konsequenzen. In anderen Ländern wie Kanada, Grossbritannien, Frankreich oder Niederlande sind ähnliche Vorgaben bereits Gesetz.

Die Initiative geht auf die von Hilfswerken und weiteren NGOs geführte Kampagne «Recht ohne Grenzen» zurück. Heute setzt sich eine nie da gewesene breite Koalition von mehr als 120 Menschenrechts-, Umwelt-, Entwicklungs- und Konsumentenorganisationen, ein Wirtschaftskomitee aus 190 Unternehmer/innen, ein Bürgerliches Komitee aus mehr als 350 Politikerinnen und Politikern der BDP, CVP, EVP, FDP, GLP und SVP, zahlreiche kirchliche Organisationen sowie rund 400 Lokalkomitees mit über 20 000 Freiwilligen für die Initiative ein.

Sie alle finden: Wer Schaden an Mensch und Umwelt anrichtet, soll dafür geradestehen.

Unternehmen sollen durch Verantwortungslosigkeit künftig keinen Wettbewerbsvorteil mehr haben. Erfolgreiches Wirtschaften und der Respekt für Mensch und Umwelt sind kein Widerspruch. Der Gegenvorschlag, der bei einer Nichtannahme in Kraft tritt, sieht lediglich eine Berichterstattungspflicht vor. Unternehmen müssten dann auch weiterhin nicht haften, wenn sie Menschenrechte verletzen oder ganze Landstriche zerstören.

Bundesrat, Konzernlobby und Wirtschaftsverbände sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, mit krassen Unwahrheiten gegen die Initiative anzukämpfen. Fakt ist, dass die Beweislast für Verstösse und das Kostenrisiko eines Prozesses weiterhin bei den Klägern liegt. Auch ist es unwahr, dass hunderttausende KMUs betroffen wären. Der Initiativtext schliesst KMU aus, es sei denn, sie sind in einem Hochrisikosektor wie z.B. dem Goldhandel tätig. Es wird auch kein anständiges Unternehmen unter Generalverdacht gestellt. Viele Firmen sind sogar für die Initiative, weil endlich gleichlange Spiesse für alle geschaffen werden. Letztlich geht es um die Frage, die ein Kommentator stellte:

«Wie viele Kinder dürfen versklavt, vergiftet oder misshandelt werden, wie viele Flüsse abgetötet, wie viele Wälder vernichtet werden, um den Unternehmern hier in der Schweiz Gewinne zu ermöglichen?» Die Antwort dazu ist wohl eindeutig.

​​​​​​​Was wir tun – oder nicht tun

​​​​​​​Was wir tun – oder nicht tun

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 13. Oktober 2020

Charlotte Gaugler, Gemein­de­prä­si­den­tin, EVP, Lampenberg

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“

Ein Zitat von Jean Baptiste Molière spricht für mich ein wichtiges Thema im Zusammenleben an. Verantwortung ist per Definition die (freiwillige) Übernahme der Verpflichtung, für die möglichen Folgen einer Handlung einzustehen und gegebenenfalls dafür Rechenschaft abzulegen oder Konsequenzen zu akzeptieren. Wir sorgen in  einem entsprechenden Rahmen dafür, dass etwas einen guten/richtigen Verlauf nimmt und/oder kein Schaden entsteht. Den Ausgang einer Situation bestimmen hierbei nicht nur unser Verhalten, sondern auch unsere Entscheidungen und unsere Kommunikation. Die Verantwortung bezieht sich immer auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.

Verantwortung für etwas zu übernehmen, das wir hingegen nicht tun, erscheint mir schwierig zu erkennen, entsprechend zu handeln und danach zu leben.

Wenn wir eine Firma leiten haben wir unterschiedlichste Verantwortungen. Für die Mitarbeitenden, für die Ausführung der Aufträge, die Produkte, die Finanzen, die Sicherheit, die Umwelt, die Gesetzgebung usw. Wie wir alle wissen leben wir diesbezüglich in der Schweiz auf einem hohen Niveau.  

Die Einhaltung der Gesetzgebung ist oft mit finanziellen Aufwendungen verknüpft und unser Ertrag kann verringert werden, wenn wir die Verantwortung konsequent wahrnehmen. Eine Möglichkeit dieser auszuweichen besteht darin, in einem anderen Land ausserhalb dieser Gesetzgebung zu produzieren.

Aber haben wir darum weniger Verantwortung?

Wenn wir produzieren ohne die Gesetzgebung am Hauptsitzes unserer Firma konsequent respektieren zu müssen? Ist die Verantwortung dann plötzlich kleiner oder weg? Die Rechte der Mitarbeitenden weniger, die Auflagen gegenüber der Umwelt kleiner? Macht die Distanz mich „verantwortungsloser“?  Was ich nicht erkennen will … lässt mich nichts tun. Und hier ist sie: Die Verantwortung, die wir für etwas haben, das wir nicht tun.

Diese Verantwortung hat das Initiativkomitee der Konzernverantwortungsinitiative wahrgenommen.  Im Initiativtext ist zu lesen: «Der Bund trifft Massnahmen zur Stärkung der Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt durch die Wirtschaft.2 Das Gesetz regelt die Pflichten der Unternehmen mit satzungsmässigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz nach folgenden Grundsätzen: a. Die Unternehmen haben auch im Ausland die international anerkannten Menschenrechte sowie die internationalen Umweltstandards zu respektieren; sie haben dafür zu sorgen, dass die international anerkannten Menschenrechte und die internationalen Umweltstandards auch von den durch sie kontrollierten Unternehmen respektiert werden…». Es betrifft uns alle, auch uns Konsumenten.

Einen kritischer Blick in die Vergangenheit und in die Gegenwart dürfte uns Mut machen die Zukunft verantwortungsbewusst und nach Fairness strebend anzugehen. Denn wir haben Verantwortung, auch für das, was wir nicht tun.

Viele Grüsse aus...?

Viele Grüsse aus...?

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 28. Juli 2020

Andrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein

Ich schreibe diese Zeilen in Vorfreude, bald unter den Feriengruss-Schreibenden zu weilen. Um vor lauter Entspannung die am letzten Ferientag fällige «Carte blanche» nicht zu vergessen, entwerfe ich sie sicherheitshalber weit voraus. Bei der Themensuche fallen die nächsten Abstimmungen und meine erste Gmeini in Präsi-Rolle durch – noch zu weit weg. Doch eine aus Foto und Titelfrage eingehende Whatsapp-Nachricht inspiriert mich.

Spielen und rätseln verknüpfe ich mit Entspannung. Das passt zur Ferienzeit. Daher lasse ich Sie nun in ähnlicher Weise darüber rätseln, in welchen Situationen mir folgende Textteile kürzlich begegnet sind. Absatzweise folgen Textauszüge, Kontextmöglichkeiten und Lösungen. Viel Spass beim Rätseln und eine gute Sommerzeit!

 

1: Wir treffen uns in Rio.

2: Wir sehen Sie nicht, Frau X. Sie müssen Ihre Kamera einschalten.

3: Der Kanton bringt uns in eine mächtige Zwickmühle. Unter seinen aktuellen Bedingungen können wir die Juni-Gmeini nicht durchführen. Gleichzeitig sollten wir wegen einer von ihm vorgezogenen Bautätigkeit mit der Gemeinde mittun und vor September einen Kredit dazu einholen können.

4: Beeindruckend schön und gleichzeitig betrübend - die Gletscher-Initiative lässt grüssen.

5: Die GV können wir nicht durchführen, verschieben wird wegen Terminkumulationen im Herbst schwierig. Den Stammtisch wollen wir für den Austausch nutzen, nicht für regulatorische Abläufe. Daher: GV schriftlich durchführen und Präsentation des Weltreiseberichts verschieben.

6: Knapp 9% der BL-Bevölkerung sind von Armut betroffen, rund 15% armutsgefährdet – Feriengrüsse liegen hier wohl keine drin.

7: Die GV führen wir im August in Kombination mit der Versammlung zur Parolenfassung durch.

8: Wir lehnen jegliche Einflussnahme seitens Unternehmen ab und geben im Sinne der Transparenzinitiative die Spende an. Um finanziell unabhängig zu bleiben, budgetieren wir diese Einnahme nicht.

9: Bis jetzt sind noch keine Bewohner*innen an Corona erkrankt. Doch Einnahmeausfälle und Zusatzausgaben führen zu starken Budget-Abweichungen.

10: Erfreulicherweise hat bisher keine spürbare Erhöhung von Neuanmeldungen stattgefunden.

11: Ausbleibende Feriengrüsse sind in diesem Fall ein gutes Zeichen.

A: Überlegungen an Gemeinderatssitzung

 

B: Ferienausflug in die Aletscharena

 

C: Landratspräsident Riebli lud am Ende eines Landrattages im Messezentrum Basel die Geschäftsleitung in den so benannten Sitzungsraum ein.

 

D: Erste Online-DV, an welcher Frau Bundesrätin Amherd je teilnahm – die der EVP CH. Sie warb erfolgreich für neue Kampfjets.

 

E: regionale Sozialhilfe Waldenburgertal

 

F: Beschluss Parteivorstand EVP CH infolge Spendenofferte eines Unternehmens

 

G: Beschluss Vorstand EVP-Kreissektion Waldenburg

 

H: Info an Stiftergemeinden Seniorenzentrum Gritt

 

I: Aus dem kürzlich veröffentlichten kant. Strategiebericht zur Bekämpfung und Verhinderung von Armut

 

J: ins Lagerleiten vertiefte Töchter

 

K: Beschluss Parteileitung EVP BL

Für Lösungen bitte nach unten scrollen =)

 

 

 

 

Lösungen: 1-C, 2-D , 3-A, 4-B , 5-G , 6-I , 7-K , 8-F, 9-H , 10-E , 11-J

 

Sommerferienzeit

Sommerferienzeit

Sandra Bätscher, Gemeindepräsidentin, EVP, Tenniken

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit mich mit jemandem zu unterhalten, der mit der Schweizer Armee im Kosovo einen Friedenseinsatz leistete. Auf meine Frage, was er für sich aus dieser Zeit mitgenommen hat, kam die Antwort ohne ein Zögern: «Die Zeit im Kosovo hat mir wieder bewusst gemacht, welchen Überfluss wir in der Schweiz haben. Wie es ist, wenn man die persönlichen Bedürfnisse zurückstellen und auf Dinge, die man für selbstverständlich gehalten hat verzichten muss. Bescheidenheit und die Fähigkeit mein Leben in der Schweiz mit all seinen Möglichkeiten wieder zu schätzen anstatt mich über Kleinigkeiten zu beschweren oder aufzuregen möchte ich mir aus dieser Zeit als Lebenseinstellung erhalten.»

Das Coronavirus hat uns alle in eine aussergewöhnliche Situation gebracht. Aber während am Anfang die Solidarität und das gemeinsame Durchalten schöne und eindrückliche Seiten hatte, scheinen nun die Geduld und die Nerven aufgebraucht zu sein und die Menschen in ihre alten Muster zurück zu fallen. Was mich erstaunt und auch ein wenig betrübt. Hatte ich doch die leise Hoffnung, dass die Erfahrungen aus der Zeit des Shutdowns dazu führen, dass man sich wieder bewusster wird, dass wir zusammen mehr erreichen können und dass wir aufeinander angewiesen sind.

Doch davon ist schon jetzt nicht mehr viel zu spüren. Es sind sowieso schon die seltsamsten Sommerferien, die ich je erlebt habe. Beide Reisen die ich geplant hatte sind dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Eine findet hoffentlich im Oktober noch statt, je nachdem wann die zweite Welle winkt. Die Hochzeitsfeier in Nordmazedonien, zu der ich eingeladen war, wurde um ein Jahr verschoben. So bin ich nun also hier und kümmere mich um Nachbarschaftsstreitigkeiten. Die man, wie ich meine, einfach lösen könnte. Man müsste nur den Weg zum Nachbarn unter die Füsse nehmen und mit ihm reden. Dieser Lösungsansatz scheint aber nicht die erste Wahl zu sein. Viel lieber lässt man sich in den Sozialen Medien verlauten, liegt auf der Lauer um Fotos von den Vergehen zu machen und verlangt von der Gemeinde, sie solle sich doch bitte um das Problem kümmern. Was mich wieder zum Kosovo-Einsatz und der Erkenntnis bringt, dass wir uns hier manchmal über Kleinigkeiten aufregen, die, mit etwas Gelassenheit und Grosszügigkeit betrachtet, gar nicht so schlimm wären. Zumal man selber genau dieses Wohlwollen, wenn es um die eigenen Bedürfnisse geht, schon fast als Selbstverständlichkeit von seiner Umgebung erwartet. Ist es denn wirklich nicht möglich, dass wir das Beste aus diesem wirklich schönen Sommer machen und uns gegenseitig mit Wohlwollen anstelle von Argwohn und Missgunst begegnen?

«Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind» Alber Schweitzer hatte wohl recht – schade eigentlich.

Demokratie in der Krise

Demokratie in der Krise

Andrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein

Andernorts befindet sich die Welt bereits seit Monaten im Ausnahmezustand, in der Schweiz herrscht nunmehr seit fünf Wochen die vom Bundesrat erklärte «ausserordentliche Lage». Diese erlaubt unserer Landesregierung, gemäss Epidemiengesetz die Kantone zu übersteuern und ansonsten in ihrer Hoheit liegende Kompetenzen durch einheitliche Regeln zu ersetzen. Der baselbieter Regierungsrat erliess wiederum mit Verweis auf  §74 Absatz 3 unserer Kantonsverfassung Notverordnungen. Ebenso erhalten Gemeinderäte mangels Gemeindeversammlungen mehr Macht. Doch Notrecht gilt es mit Bedacht zu nutzen.

Zustände unter Notrecht haben wohl die wenigsten von uns je erlebt. Allenfalls Asylsuchende und Kriegserfahrene. Die meisten Leute finden es derzeit sinnvoll, dass der Bundesrat über Sonderrechte verfügt. Aus historischer Sicht bergen Notrecht und Notstandgesetze grosse Gefahren. Leider folgt ab und an per Notstand Machtmissbrauch. Teilweise wurde und wird Machthabenden vorgeworfen, Notstände genutzt oder inszeniert zu haben, um sich eigene Macht zu sichern. Der amerikanische Filmemacher Michael Moore bezichtig zum Beispiel in «Fahrenheit 11/9» den Gouverneur Rick Snyder seiner Heimatstadt Flint Notrecht ausgenutzt zu haben. Auch Hitler und Erdogan wussten Notrecht geschickt zur Stärkung ihrer Positionen zu nutzen. Es besteht die Gefahr, dass mit Hilfe von Notrecht ein als Demokratie bezeichnetes Gebilde via Autokratie zur Diktatur verkommt. Aufgrund solcher Erfahrungen haben daher einige Länder Wege gesucht, ihre Demokratien abzusichern. Einige kennen zum Beispiel die Verfassungsgerichtsbarkeit. Doch ist ihr Nutzen umstritten.

Die Schweiz hat kein Verfassungsgericht. Trotzdem: Unsere Demokratie gerät in der Krise nicht in die Krise. Denn auch wir kennen Sicherungsmöglichkeiten der Demokratie. So ist eine «ausserordentliche Lage» jeweils zeitlich begrenzt und damit verbunden die Sonderrechte des Bundesrates. Ebenso gibt es Abhilfe, wenn die Mehrheit nicht im Recht ist. So kann gegen Verletzungen von verfassungsmässig garantierten Grundrechten beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden. Die Berufung auf eine «ausserordentliche Lage» beinhaltet zudem auch keinen Freipass. Sie ermöglichen den Regierungen zwar, im Notfall rasch zu handeln, beziehen aber trotzdem das Volk, respektive die Parlamente als ihre Repräsentanten, mit ein. So musste der Bundesrat seine Corona-Hilfspakete, wenn auch nicht dem ganzen Parlament, so zumindest der Finanzdelegation zur Prüfung vorlegen. Und die baselbieter Regierung muss ihre Notverordnungen jeweils möglichst rasch dem Landrat unterbreiten. Hier besteht jedoch das Handicap, dass diese bisher unveränderbar waren. Da hege ich Sympathien für die Variante auf Bundesebene, wo die Delegation des Parlamentes noch Einflussmöglichkeiten hat. Denn für die in dieser Woche von der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission zu beratenden zwei weiteren Notverordnungen über die Sicherung der Kinderbetreuung besteht durchaus Verbesserungspotential.

 

Sehen und Handeln

Sehen und Handeln

Sandra Bätscher, Gemeindepräsidentin, EVP, Tenniken

Karl Valentin hat mal gesagt: «Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.» Nun regnet es ja seit Tagen nicht und trotzdem passt die Aussage zur momentanen Situation, die wir ertragen und überhaupt nicht beeinflussen können. Der Einfluss den das Coronavirus auf unser Leben hat und die ständige Berichterstattung über Fallzahlen und Todesfälle machen es nicht einfach, die Gelassenheit und vor allem auch den Humor nicht zu verlieren.

Auch mir nicht. Die ungewohnte Lebenssituation, in der ich nun komplett von zu Hause arbeite und meine beiden Söhne ihre Ausbildungen via Homeschooling absolvieren, hat dazu geführt, dass ich gefühlte Lastwagenladungen an Lebensmitteln besorgen muss, die dann von den beiden Herren verkocht und verbacken werden. Was ich grundsätzlich super finde und dann hoffentlich auch den zukünftigen Freundinnen zu Gute kommt. Das Aufräumen der Küche danach ist leider noch nicht ihr Spezialgebiet. Dafür hat der Wäscheberg substanziell abgenommen.

Soweit so gut. Aber was kann man sonst noch tun? Ausser zu Hause zu bleiben? Wir haben in der Gemeinde enorm viel Hilfsbereitschaft erlebt. Menschen, die sich anbieten, Einkäufe zu tätigen oder Personen zum Arzt zu fahren. Aber auch, dass man sich der schwierigen Lage der Restaurants und Geschäfte bewusst ist und deshalb zum Beispiel Freunde mit Blumensendungen überrascht oder wieder öfters ein Mittag- oder Nachtessen vom dorfeigenen Restaurant nach Hause bestellt. Dies hat nicht nur den positiven Nebeneffekt, dass man sich den Gang ins Lebensmittelgeschäft und den damit verbundenen Spiessrutenlauf erspart, sondern auch das Aufräumen der Küche (siehe oben).

Wenn Sie darüber hinaus noch mehr tun wollen gibt es natürlich verschiedene lokale, kantonale und schweizerische Initiativen und Hilfsprojekte. In den Wochen vor Ostern läuft aber jeweils auch die Kampagne der Ökumenischen Hilfswerke, die wir unter «Brot für alle» kennen. Auch sie ist durch den Coronavirus stark eingeschränkt worden, da die traditionellen Suppentage und der Rosenverkauf nicht durchgeführt werden konnten. Susanne Strub hat in ihrer Carte Blanche vom letzten Freitag auf die Wichtigkeit der Versorgungssicherheit der Schweiz hingewiesen. Eine Landwirtschaft, die unsere Zukunft sichert, ist nicht nur für uns wichtig, sondern auch für die Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Wenn Sie das Thema interessiert und Sie helfen wollen, besuchen Sie die Seite www.sehen-und-handeln.ch – es lohnt sich!

Wir werden diese ungewohnte Situation voraussichtlich noch einige Zeit ertragen müssen. Das fällt nicht leicht. Aber wenn wir die Augen offenhalten und dort helfen, wo es uns möglich ist, haben alle etwas davon, die Schenkenden und die Beschenkten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes Osterfest, bleiben Sie gesund und -vor allem- zu Hause.

Ein Hoch auf das Team – trotz Personalisierungshype

Ein Hoch auf das Team – trotz Personalisierungshype

Andrea Heger, Landrätin EVP und Gemeindepräsidentin, Hölstein

Oft schwappen neue Trends punkto Managementmodellen, Werbetechniken, Bräuchen usw. über den grossen Teich nach Europa. So auch der Personalisierungshype in der Politik. Laut Duden ist ein Hype eine aus Publicitygründen inszenierte Täuschung, respektive eine als Rummel bezeichnete Welle oberflächlicher Begeisterung. Rummel wiederum deutet auf ein Theater hin. Die Auswirkungen dieser Schauspielereien sind umstritten. Positiv ausgelegt, können politikfernen Menschen durch Personalisierung politische Fragen näher gebracht werden. Zudem haben die Wählenden auch ein Recht, mehr über die Kandidierenden zu erfahren. Doch besteht zuweilen die Gefahr, dass das familiäre Umfeld zur Erwirkung eines politischen Eindruckes instrumentalisiert wird. Eine weitere negative Erscheinung besteht, wenn politische Sachfragen durch unpolitische Aspekte wie das Familienleben oder die Hobbys einzelner Personen völlig verdrängt werden. Die Politik überzeugt dann nicht mit Argumenten und Lösungsansätzen, sondern steuert vor allem via emotionaler Wirkung.

Das Bedürfnis nach Personalisierung ist sehr gross, nicht nur in der Politik. Viele lechzen nach Idolen und Stars. Sei es in der Musik, dem Sport oder der Kirche. Man denke dabei nur an die immense Wirkung des Papstes oder von Mitgliedern königlicher Familien. Solche Vorbilder können unter Umständen enorm viel Gutes bewirken.

Oft wird dabei aber jemand auch übermässig glorifiziert und geht bei der Betrachtung der sich im Lichtkegel produzierenden Stars vergessen, dass im Hintergrund grosse Teams mitwirken. Es ist einer Person kaum möglich, ständig innovative Leistung und neue Lösungen zu bringen. Kreativität lebt von frischen Blickwinkeln und neuen Verknüpfungen. Alleine läuft man Gefahr, immer im gleichen Trott zu denken. Doch auch die Zusammensetzung und Interaktion eines Teams ist essenziell. Wo innovative Resultate nötig sind, können Teams zudem bessere Resultate liefern als Einzelpersonen. So zeigte bereits vor rund 50 Jahren das Nasa-Weltraumspiel, dass die Überlebenschancen höher sind, wenn eine interagierende Gruppe anstelle einer Einzelperson Entscheide fällt. Das Resultat der Teamarbeit entspricht dabei nicht einfach der Summe der einzelnen Talente. Sind sich die Teammitglieder zu ähnlich, fehlt es an frischem Input. Ganz nach dem Zitat: «Wo alle dasselbe denken, wird nicht viel gedacht.» Bei guter Ergänzung und gruppendynamischer Prozesse wächst jedoch jedes Teammitglied über sich hinaus. Um ein solches Team zu erreichen, braucht es ein gutes Händchen der Anstellungsverantwortlichen und eine kompetente Leitung.

2020 ist ein kommunales Wahljahr. Somit müssen diverse Gremien frisch bestückt werden. Möge es uns gemeinsam gelingen, gut funktionierende Teams zusammen zu stellen. Und wo nur an Einzelpersonen Entscheide fällen, so handeln sie hoffentlich gemäss einem Sprichwort aus Uganda: «Geht dein Feuer aus, holst du Feuer bei deinem Nachbarn – halte es ebenso mit der Weisheit.»

In diesem Sinne wünsche ich uns allen viel Weisheit für das neue Jahr!